Beschreibung
In Deutschland leiden derzeit rund 400.000 Menschen an einer Parkinson-Erkrankung. Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass die Zahl der Parkinson-Patientinnen und -Patienten angesichts des demographischen Wandels und einer immer älter werdenden Bevölkerung weiter steigen wird. Parkinson ist eine komplexe Erkrankung mit individuell unterschiedlichen Symptomen. Häufig sind Patientinnen und Patienten jedoch von einer verminderten Lebensqualität betroffen und pflegende Angehörige stark belastet.
Die Behandlung von Parkinson-Patientinnen und -Patienten ist komplex, doch findet eine Betreuung oft nur einmal pro Quartal statt, manchmal sogar noch seltener, da der Weg zum Arzt für viele Patientinnen und Patienten eine Herausforderung ist. Interdisziplinäre Versorgungsansätze und digitale Lösungen können hier eine integriertere Versorgung ermöglichen. Im Rahmen des Projekts wird eine deshalb ein Versorgungsansatz entwickelnt, in dem verschiedene Professionen zusammen arbeiten. Ziel ist es, die Versorgung von Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen zu verbessern, indem der Informationsaustausch zwischen Patientinnen und Patienten und behandelndem Team zu stärken. Ein wesentliches Ziel ist es außerdem, frühzeitig und proaktiv Symptomänderungen im Krankheitsverlauf zu erkennen, den Patientinnen und Patienten Handlungsstrategien an die Hand zu geben und somit den Krankheitsverlauf günstig zu beeinflussen.
Das Projekt wird für drei Jahre mit insgesamt ca. 3,8 Millionen Euro gefördert. Hierbei arbeiten folgende Konsortialpartner zusammen:
- Philipps Universität Marburg
- Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V.
- MVB Telemed GmbH
- Justus-Liebig-Universität Gießen
- Philipps-Universität Marburg
- Praxis für Neurologie und Psychiatrie Hamburg Walddörfer
- Techniker Krankenkasse
- Technische Hochschule Mittelhessen
- Universität zu Köln
- Universität zu Lübeck
Abgeleitete Maßnahmen
Die Auswertung der Daten wird in einem übersichtlichen Ampelschema dargestellt und kann von Ärzten, Parkinson-Nurses und ambulanten Pflegekräften abgerufen werden. Das Schema dient den Versorgerinnen und Versorgern als Indikator für den Gesundheitszustand und ermöglicht so eine objektive Bewertung des Krankheitsverlaufes bzw. der Effizienz der therapeutischen Maßnahmen. Als Reaktion kann das Team Hausbesuche veranlassen oder die Therapiestrategie anpassen. Zusätzlich besteht die Möglichkeit mit den Patient*innen und Angehörigen virtuell oder telefonisch in Kontakt zu treten.
Zusätzliche Maßnahmen
Keine Angabe durch den Projektträger
Informationsgewinnung und -übertragung
Das Rückrat des Versorgungsmodells stellt die digitale Infrastruktur dar, bestehend aus einer Webplattform (Anwendungsbereich für Versorger*innen und Betroffene), einer mobilen Anwendung (App), körpernahen Sensoren in einem Wearable (AppleWatch), einem Videotherapiegerät und einem server-basierten Datenintegrationszentrum.
Über die App sollen Patient*innen und Angehörige die Möglichkeit haben, passgenaue Handlungsempfehlungen zu verschiedenen Themen rund um das Thema „Leben mit Parkinson“ zu erhalten. Über die App erfolgt außerdem das longitudinale Monitoring der Teilnehmenden. Hierfür werden innerhalb der App verschiedene kognitive und motorische Tests bereitgestellt, die von den Patient*innen regelmäßig durchgeführt werden sollen. Somit wird eine kontinuierliche Erfassung von physischen und psychischen Gesundheitsindikatoren ermöglicht. Weitere physiologische Parameter (Aktivitäts- und Ruhezyklen, Bewegungsmuster), werden durch ein Wearable am Handgelenk (AppleWatch®) der Patient*innen erfasst. Ein Videotherapiegerät (EVA) ermöglicht das Monitoring im häuslichen Umfeld: Patient*innen können regelmäßig kurze Ansage-gestützte Videos von sich aufnehmen, in denen sie ihre Beweglichkeit demonstrieren und auch über nicht-motorische Probleme berichten können. Diese Videos werden sodann gesichert übertragen und werden von den Versorger*innen ausgewertet. Zudem kann eine direkte digitale Kommunikation zwischen Versorger*innen und Patient*innen erfolgen.
Informationsempfänger und -verarbeitung
Kernelement des Versorgungsmodells ist eine individuelle Versorgungsgestaltung. Um diese zu ermöglichen, werden die mit der App, dem Videotherapiegerät und dem Wearable erfassten Daten über eine sichere Schnittstelle (Gateway) in ein sogenanntes Datenintegrationszentrum (DIZ) am Institut für medizinische Informatik der Justus Liebig Universität Gießen übertragen, wo eine semi-automatisierte Bewertung der Daten durch die Verwendung von Methoden des maschinellen Lernens erfolgt. Diese Auswertung der Daten wird in ein übersichtlichen Ampelschema übersetzt (grün = alles okay, gelb = Rückkopplung zwischen Versorgern und Patient*innen erforderlich, rot = es besteht akuter Handlungsbedarf) und kann von Patient*innen über die App, als auch von Versorger*innen über die Webplattform jederzeit abgerufen werden. Neben dem Ampelschema werden die Daten im Einzelnen zusätzlich durch dezentral arbeitenden Parkinson-Nurses kontinuierlich gesichtet und bewertet.
Für diesen Austausch stellen die Webplattform und das Videotherapiegerät die zentralen Medien dar. Im Anwendungsbereich für Versorger*innen bietet die Plattform Funktionen zur Datensichtung. Über die Prädiktion einer potenziellen klinischen Verschlechterung aus den aufbereiteten Daten kann so beispielsweise dem behandelnden Team automatisch potentielle Risiko-Patient*innen bspw. für Stürze, Halluzinationen o.ä. angezeigt werden. Dadurch hat das Team die Möglichkeit, proaktiv Maßnahmen einzuleiten (z. B. Medikamentenumstellung/-reduktion). Zusätzlich ermöglicht die Plattform einen interdisziplinären Informationsaustausch unter den Versorgenden. So werden beispielsweise digitale Parkinson-Konferenzen oder interdisziplinäre Konsiliarsitzungen in einem geschützten Raum möglich.
Im Anwendungsbereich für Betroffene haben Versorger*innen die Möglichkeit mit den Patient*innen in Kontakt zu treten (z.B. über virtuelle Videosprechstunden mittels Videotherapiegerät). Den Patient*innen ist es außerdem möglich, jederzeit selbst mit der Parkinson-Nurse in Kontakt zu treten, um Fragen zu stellen oder Veränderungen des Gesundheitszustandes zu besprechen.